Orthodoxe Kirche Hl. Maria von Ägypten in Tübingen

Berliner Diözese der Russischen Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchates





14. Sonntag nach Pfingsten

Matth. 22, 1-14

Letzten Sonntag haben wir das Gleichnis von den bösen Winzern gehört Wir erfuhren, wie der Hausherr Gott seinen Weinberg, also das Haus Israel, an die Winzer, also die Führer der Israeliten verpachtete und wie Er vergeblich auf eine reichliche Ernte hoffte. Ja, seine Boten, genauso wie sein Sohn, wurden gequält und getötet. Daher wendet sich Gott nun den Heiden zu, die Ihm geistige Früchte zur rechten Zeit bringen sollen.

Das Gleichnis, das wir jetzt gehört haben, lehrt uns dasselbe. Das Hochzeitsmahl, das der Kö-nig veranstalten will, ist die selige messianische Zeit. Der Königssohn, der zum Festmahl ein-lädt, ist der Messias und Er wird genauso brüskiert wie seine Abgesandten, also die Propheten und Apostel. Da die Kinder des Hauses Israel sich an der Einladung uninteressiert zeigen, werden nun Sünder und Heiden aufgerufen, das sind die an den Straßenkreuzungen. Der Zorn des Königs kündigt die Zerstörung Jerusalems im Jahre 70 n.Chr. an, als Titus diese Stadt dem Erdboden gleich machte. An dieser Stelle wendet der Herr, der das Gleichnis ja erzählt, seinen Blick in die Endzeit: Einer der soeben Eingeladenen hat kein hochzeitliches Gewand an, weil er keine geistigen Früchte gebracht hat; er wird daher in die ewige Finsternis hinaus-geworfen.

Die Eingeladenen, die sich an der Einladung uninteressiert zeigten und der Gast, der kein hochzeitliches Gewand an hatte, haben eines gemeinsam: Sie werden beide umkommen. Ers-tere, das sind die Israeliten des Alten Bundes, kommen bei der grausamen Zerstörung Jerusa-lems bzw. Israels um, letztere, also diejenigen des Neuen Bundes, in der ewigen Finsternis, in der Hölle. Es wird hier also ein Schicksal angesprochen, das unabhängig von Vergangenheit und Gegenwart, alle Menschen betrifft, die Kinder des Hauses Israel genauso wie die ersten Christen oder, uns, die wir im 21. Jahrhundert leben.

„Kommt zur Hochzeit! Sie jedoch achteten nicht darauf und gingen ihrer Wege, der eine auf seinen Acker, der andere an sein Geschäft.“ (22,4f) Ist es mit uns nicht ähnlich? Viele von uns sind durch Dinge und Menschen so fasziniert, dass sie blind für alles andere sind. Der eine durch seinen Beruf, seine Karriere und seine Kollegen, die er eifersüchtig als Konkurren-ten belauert, der andere durch seine Partnerin, die er, koste es, was es wolle, an sich binden will. Wieder andere durch ihre Hobbies, denen sie jede freie Minute opfern und die sie die Realität um sich vergessen machen. Da gibt es solche, die lieber Videospiele machen, als ge-gen die Schwierigkeiten des Alltags anzukämpfen, da gibt es solche, die lieber virtuell im Internet mit Leuten kommunizieren, die sie nie gesehen haben, als sich mit ihren Mitmen-schen auseinanderzusetzen, wieder andere ziehen sich in die Traumwelt ihrer Urlaubsreisen zurück, anstelle die Katastrophen zu erkennen, die sich hinter diesen bunten Fassaden abspie-len. Viele auch sind durch die verschiedensten Süchte geknebelt und gefesselt und für nichts mehr zu interessieren.

Die täglichen Verpflichtungen unserer heutigen Zeit sind bei den meisten derart umfangreich, dass kaum noch Raum zum Atmen übrig bleibt. Die Wüstenväter konnten ihren Lebensunter-halt durch das Drehen von Seilen oder durch Korbflechten verdienen, Paulus z.B. durch Zelt-machen. Christus musste, um der Steuerpflicht Genüge zu tun, einen Zinsgroschen bezahlen, während wir umfangreiche Listen ausfüllen und verschiedenste Dokumente bereit zu halten haben. Kurz, unser heutiges Leben ist so kompliziert geworden, dass wir nicht mehr ohne weiteres über uns und unser Seelenheil nachdenken können. Die meisten von uns stehen unter einem ungeheuren Zeit- und Leistungsdruck, unser Lebenstempo im Zeitalter der Raunfahrt ist in jeder Hinsicht ein anderes als zur Zeit Jesu. Und wenn der erschöpfte Arbeitnehmer mit der wenigen Freizeit, die ihm zur Verfügung steht, nicht wie mit einem kostbaren Kleinod umgeht, wird ihm sein Leben unter der Hand zerrinnen und plötzlich muß er sterben. Was können wir nun tun, um nicht umzukommen, wie die Menschen in diesem Gleichnis?

Das erste ist eine Bewußtseinsänderung. Wir müssen darüber nachdenken, was für uns in un-serem Leben das Allerwichtigste ist: Die Karriere, das Vergnügen, die Familie, unser religiö-ses Leben? Stets sollten wir uns dabei vor Augen halten, dass unsere Lebenszeit begrenzt ist, es kann sein dass wir nicht erst in fünfzig Jahren sterben müssen, sondern in den nächsten Minuten.

Das zweite ist, eine wirkliche Entscheidung zu treffen. Unser Leben wird erst dann sinnvoll und reich und weckt alle die Kräfte und Talente, die in uns schlummern, die wir vielleicht noch gar nicht erkannt haben, wenn wir eine unerschütterliche Entscheidung getroffen haben. Solange wir dies nicht tun, werden wir ein Spielball aller möglichen Einflüsse bleiben und jedem Betrug anheim fallen; es ist diese amorphe Masse, die sich die Reklamefachleute und Politiker wünschen, weil sie sie nach ihren Vorstellungen formen und ausbeuten können.

Das dritte ist die Bereitschaft, für unser Lebensziel Opfer zu bringen. Ebenso wie der Karrie-resüchtige alles seinem Ziel unterordnet, eine bestimmte Position zu erlangen und dafür Zeit, Gesundheit, ja sogar die Familie opfert – schauen Sie sich nur viele unserer ehrgeizigen Poli-tiker an – genauso sollten wir bereit sein, alles dem einen Ziel unterzuordnen, „ein hochzeitli-ches Gewand“ zu erlangen. Um die Gaben des Heiligen Geistes zu erhalten, muß man es wirklich ernst mit seinem Glauben meinen, auch wenn man deswegen auf vieles verzichten muß. Deshalb die Frage: Wo sind die Gläubigen, die bereit sind, einmal einen Tag Urlaub zu opfern, wenn ein Fest unter der Woche ansteht? Wo sind die Gläubigen, die die Kirche groß-zügig finanziell unterstützen? Wo sind die Gläubigen, die bereit sind, die Konsequenzen zu ziehen, wenn ihre Mitmenschen sie bei ihrem religiösen Leben behindern? Die christliche Religion ist kein unverbindlicher Freizeitspaß mit schönen Gesängen und buntern Gewändern, den man sich so nebenher gönnen könnte. Deshalb sagt der Herr: „Wenn jemand zu Mir kommt und nicht Vater und Mutter und Weib und Kinder und Brüder und Schwestern und dazu auch sein eigenes Leben haßt, kann er nicht mein Jünger sein!“ (Lk. 14, 25f.)

2.09.2007
Priester Paul Sohnle

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