Orthodoxe Kirche Hl. Maria von Ägypten in Tübingen

Berliner Diözese der Russischen Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchates





20. Sonntag nach Pfingsten

Lk. 6, 31-36

Wenn die Kirche den Festtag eines ehrwürdigen Heiligen feiert, wird das Evangelium mit den Seligpreisungen aus der Bergpredigt gelesen. Die Bergpredigt ist aber viel länger; neben der kürzeren Fassung des Evangelisten Lukas steht die viel ausführlichere von Matthäus. Dort nennt Christus auch den Grund, warum Er diese Predigt hält: „Wenn eure Gerechtigkeit nicht weit vollkommener sein wird als die der Schriftgelehrten und Pharisäer, so werdet ihr nicht in das Himmelreich eingehen.“ (Matth. 5,20)

Christus wendet sich also gegen die vielfach ungenügende pharisäische Auslegung der Verhaltensmaßregeln, die Mose dem jüdischen Volk einst gegeben hatte. So hatte Mose zum Beispiel befohlen: „Räche dich nicht und trage den Söhnen deines Volkes nicht nach, sondern liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ (Lev. 19,18) Daraus leiteten die Pharisäer ab und lehrten, man dürfe nur die lieben, die einem nahe stehen und die Feinde Israels müsse man hassen. Christus jedoch verkündet eine Verhaltensmaßregel wie sie von Gott ursprünglich gewollt war und die für die Ohren seiner Zeitgenossen, die ja nur die Lehren der Pharisäer kannten, geradezu revolutionär war: „Liebet eure Feinde, tut denen wohl, die euch hassen!“ (Lk. 6, 27) In der Bergpredigt nimmt sich der Herr auch die Zehn Gebote vor und lehrt eine vollkommenere Einstellung als in der jüdischen Tradition bekannt war.

Der Evangelist Lukas, der die Bergpredigt in knapperer, geraffter Form wiedergibt, zählt sieben Aspekte einer bedingungslosen Liebe auf, die über das normale menschliche Verhalten hinausgehen: Liebet eure Feinde; tut wohl denen, die euch hassen; segnet, die euch verfluchen; betet für die, die euch beleidigen; rächt euch nicht; sei großzügig zu deinem Mitbruder. Diese sieben Aspekte können unter der einfachen Lebensmaxime zusammengefaßt werden, mit der die heutige Evangelienlesung beginnt: „Und wie ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, so sollt auch ihr ihnen tun.“ (Lk.6,31)

Halten wir uns an diese simple Lebensweisheit? Meist ist es doch so, dass wir von unseren Mitmenschen vieles erwarten: Sie sollen Verständnis für uns haben, sie sollen uns geduldig ertragen, uns Mitleid entgegenbringen, uns helfen , wenn wir Hilfe benötigen, ja, wir erwarten, dass sie uns treue Freunde sind, die immer für uns da sind. Aber wenn wir in den Spiegel schauen und uns fragen, was schenken wir unseren Nächsten, müssen wir da nicht zugeben, wie oft wir ungeduldig reagieren, wie gereizt wir die Probleme unserer Freunde oder Partner anhören, wie oft wir Mangel an Zeit vorschützen, nur um unsere Ruhe zu haben, wie kleinlich wir sind, wenn jemand unsere materielle Unterstützung benötigt? Oft verhalten wir uns genau so, wie es Christus tadelnd anmerkt: Wir sind nur nett zu denen, die auch zu uns nett sind, wir schenken oder leihen nur denen, von denen wir einen Gegenleistung erhoffen können. Nicht umsonst gibt es das geflügelte Wort: „Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft.“

Christus möchte aber über diese kleinliche Verhaltensweise hinausgehen, die jede Geste des anderen wie ein Buchhalter peinlich genau registriert und mit den eigenen Leistungen vergleicht und schaut, ob ja die Bilanz von Leistung und Gegenleistung stimmt. Ausdrücklich sagt Christus, dass wir zu unseren Mitmenschen eine so große Liebe haben sollen, dass wir mit keinem Gedanken eine Gegengabe erhoffen, wir sollen wie Gott werden, der über das Menschengeschlecht in seiner Güte täglich die Sonne aufgehen lässt, über Gute genauso wie über Böse und Undankbare. Dies ist gewiß kein leichtes Gebot, die wir doch gern nach der Devise handeln „Auge um Auge, Zahn um Zahn“. Versuchen wir einmal unseren Arbeits-kollegen, unsern Nachbarn, die uns übel gesinnt sind, mit Liebe und Nachsicht zu begegnen!

Natürlich fällt uns die Kraft, liebevoll wie Gott zu handeln, nicht einfach vom Himmel in den Schoß. Was müssen wir also tun, um so stark zu werden, dass wir dieses Liebesgebot erfüllen können? Viele Kirchenväter sagen übereinstimmend, dass nur derjenige diese Liebeskraft erhält, der immer mehr auf alles Irdische verzichten kann, der sein Kreuz mit Geduld trägt und seine ganze Hoffnung auf Gott setzt. Es ist, als ob wir in unserem Leben eine Himmelsleiter Stufe um Stufe erklimmen müssten. Der Kirchenvater Niketas Stethatos unterscheidet drei Stationen auf diesem Weg. Der Anfang der Liebe zu Gott besteht in der Verachtung der sichtbaren und menschlichen Dinge. Die Mitte ist die Reinheit des Herzens und Geistes von allen leidenschaftlichen Vorstellungen. Die Vollendung ist das ständige Verlangen nach den übernatürlichen Gaben Gottes: Liebe, Freude, Friede, Geduld, Milde, Güte, Treue, Sanftmut, Enthaltsamkeit, Weisheit. Deshalb, fangen wir noch heute damit an, Gott darum zu bitten, dass Er uns auf diesem Weg führen, stützen und begleiten möge. Dann werden wir sehen, dass wir imstande sind, unsere Feinde zu lieben und denen wohlzutun, von denen wir keine Gegengabe erwarten können.

14.10.2007
Priester Paul Sohnle

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